1999 Aus, Schluss, Ende

so haben wir die jahre seit 1992 irgendwie überlebt, zwei bis drei maschinen im jahr verkauft, das personal bis zum absoluten minimum reduziert und waren immer noch voller hoffnung. weil irgendwann würde in polen massiv investiert werden. muss ja so kommen, wenn polen auch nur annähernd europäisches niveau erreichen wollte.

Nochmal Messe Poznan 1998

ich war ein paar jahre vorher in england in einer der fabriken von mazak, dem weltgrößten hersteller von werkzeugmaschinen. da ist eine halle mit zig maschinen und da laufen auch ein paar typen in sauberen mänteln herum. alles geht automatisch, das material, die werkzeuge, alles wird durch den computer gesteuert angeliefert, die arbeitsprozesse laufen weitgehend automatisch ab. die paar hanseln die da rumlaufen schauen nur noch ob da irgendwo ein rotes lamperl leuchtet. unglaublich!

und dann kommst zurück nach polen in ein fabrik, wo in einer halle fünfzig maschinen stehen und davon sind drei cnc-maschinen. verdammt nochmal, die müssen doch modernisieren, die müssen doch neue maschinen kaufen. und himmelarschundzwirn, warum denn nicht bei uns?

das jahr 1999 fing auch gar nicht schlecht an, wir hatten viele angebote draussen und die kunden waren alle optimistisch, daß bald eine investitionswelle auf uns zukommen würde.

irgendwann im frühjahr habe wir eine maschine verkauft, vom kunden ein akkreditiv bekommen, dieses an den lieferanten weitergegeben, alles ganz normal, wie schon zig-mal vorher.

Sonja, Luka und ich in meinem Zimmer

ich habe das glaube ich schon vorher irgendwann erwähnt, die bezahlung des kunden per akkreditiv und dessen weitergabe an den lieferanten war basis für unser geschäft und hat immer problemlos funktioniert. sobald wir die bestätigung unserer bank hatten, daß das kundenakkreditiv in ordnung war und daß ein akkreditiv zu gunsten unseres lieferanten eröffnet wurde, war die sache für uns erledigt. daß ein lieferant die bedingungen nicht einhalten könnte, darauf wäre ich im schlaf nicht gekommen.

im laufe des jahres hatten wir ein paar zweihundertprozentige projekte und wie wir die alle verloren haben will ich dir nicht vorenthalten.

da war ein kunde, irgendwo im hintersten polen, der wollte zwei maschinen kaufen. ich war mit ein paar von den leuten dieses kunden bei zwei referenzkunden in deutschland und in österreich. da war ein wirklich freundschaftliches verhältnis mit diesen leuten, wir waren mit denen beim heurigen in gumpoldskirchen, hast du schon einmal gehört, daß dem jemand widerstehen konnte? alles war super! zwei maschinen immerhin, damit hätten wir das jahr locker überstanden.

das war im frühjahr, ein paar wochen später wurde ich eingeladen zu einer lieferantenlizitation ins werk des kunden, wie schon gesagt am arsch der welt. da war ausser uns noch ein mitbewerber eingeladen, der besonders durch niedrigste preise glänzte. der hat uns dann sang und klanglos um zwanzig prozent unterboten, das war zehn prozent unter dem einkaufswert. ich wußte das, weil wir beide in diesem fall taiwanesische maschinen angeboten haben.

diese firma war aber eine abteilung des größten computerherstellers in polen und konnte sich leisten ein paar maschinen mit verlust zu verkaufen. wir nicht.

es war mir eine ganz besondere genugtuung, wie meine frau ein, zwei jahre später im internet gefunden hat, daß diese arschlöcher mit bomben und granaten in konkurs gegangen sind. aber geholfen hat uns das dann aber auch nicht mehr.

da war dann noch diese firma in westpolen, die formen für ihre deutsche mutter hergestellt hat. die brauchten dringend eine hochpräzise Fräsmaschine, die wir mit größter begeisterung angeboten haben. eine supermaschine, anerkannte höchste deutsche qualität, preislich haben wir das äußerste gegeben, technisch war alles klar. wir hatten umfangreiche berechnungen angestellt, der kaufvertrag war xmal geändert und endlich unterschriftsreif und der termin war schon vereinbart.

da kam noch kurz vorher ein anruf, die lieferzeit von 16 wochen war zu lang, aber es ist doch sicher kein problem etwas früher zu liefern, so nach acht wochen? na klar habe ich gesagt, das ist die erste maschine die nach polen verkauft wird und die leute im schwarzwald werden sicher was tricksen, damit wir ein bissl früher liefern können.

ja denkste, das ist leider unmöglich, wir sind voll, keine chance. soviel zur schwäbischen flexibilität. also haben wir diesen auftrag im letzten moment verloren. brauch ich ja nicht zu erwähnen, daß diese supermaschine uns das überleben in diesem jahr garantiert hätte.

Boris Yelzin 1999 noch Präsident Russlands

eine der ganz großen fabriken im südosten polens wollte zwei große fräsmaschinen kaufen. wert ca. eine halbe million euro. wir hatten genau die richtigen maschinen angeboten, technisch war alles klar. das problem war nur die finanzierung. der vorschlag des kunden war ein witz, aber ich habe ihn an unseren italienischen lieferanten weitergegeben und die haben das akzeptiert! unglaublich, aber wir standen kurz vor dem geschäft des jahrhunderts.

da kam dann die nachricht, daß die komplette führungsriege der fabrik verhaftet worden war, wegen ein paar kleinen unterschlagungen. da war dann natürlich keine rede mehr von einkäufen, vielleicht nächstes jahr.

bei noch einem anderen kunden hatten wir eine dieser supermaschinen aus dem schwarzwald angeboten. alles super, auch hier standen wir kurz vor der unterschrift des vertrages. aber auch hier kamen unsere mitbewerberfreunde, die ich schon oben erwähnt habe und haben zum einkaufspreis statt einer gleich zwei taiwanesische machinen angeboten und auch verkauft. der werkmeister, der die maschinen bekam, hat fast geweint, weil er die schöne maschine aus piefkestan nicht bekommen hat. ich auch.

inzwischen war es sommer geworden und die maschine aus italien, für die wir schon das akkreditiv hatten, sollte endlich geliefert werden. da gabs eine verzögerung, weil noch irgend ein teil fehlte, da sagte man mir die maschine steht schon am lkw und geht morgen weg.

jedenfalls eine woche vor ablauf der gültigkeit unseres akkreditives, sagten die italiener uns, daß leider sich die lieferung der maschine um vier wochen verzögert und wir mögen doch bitte unser akkreditiv verlängern. das hätten wir aber nur tun können, wenn auch unser kunde seinerseits sein akrreditiv verlängert hätte.

das hat er aber nicht. so war also ein geschäft, daß schon tausendprozentig gelaufen war, in die binsen gegangen. für mich war es vorher unvostellbar, daß ein liefernat seine lieferbedingungen für ein akkreditiv nicht einhält.

ich muß nicht extra betonen, daß wir zu diesem zeitpunkt, ende august, nervlich schon ziemlich am ende waren. aber da war noch das letzte tausendprozentig sichere geschäft, welches uns doch noch über den winter bringen würde.

vor einem jahr hatten wir einem kunden im mittelwesten polens eine höchst moderne fräs- und bohrmaschine von brother, dem führenden liefernaten solcher maschinen, verkauft. die maschine lief monatelang im härtesten einsatz ohne probleme. der geschäftsführer war ein bayer mit dem ich ein super verhältnis aufbauen konnte. als die firma mehr aufträge bekam als sie mit der einen maschine schaffen konnte, war es klar, daß sie eine zweite maschine derselben art kaufen würde.

der vertrag war ausgehandelt, alles war klar, der termin für die vertragsunterzeichnung war fixiert, als ich am tag vorher den anruf bekam, der uns den rest gab. ja leider hat die deutsche mutter beschlossen aus finanztechnischen gründen die maschine in deutschland zu kaufen und als sacheinlage in die polnische tochter einzubringen. ob wir denn das service für die maschine übernehmen könnten?

fluchtziel-waldkonnten wir nicht, denn damit war unsere hoffnungsvolle firma geschichte. wir waren unserem vermieter schon ein paar monatsmieten schuldig und wenn wir nicht innerhalb von ein paar tagen zahlen würden, könnten wir damit rechnen aus unserem gemietetetn haus ausgesperrt zu werden.

wir waren am ende! um auch nur halbwegs weiter existieren zu können, mußten wir unser bisheriges domizil fluchtartig verlassen.

am nächsten samstag um fünf uhr morgens kam ein lastwagen und brachte unsere wenigen habseligkeiten in unser fluchtquartier. das war das blockhaus unserer buchhalterin in einem weitläufigen waldgebiet fünfzig kilometer südlich von warschau.

dort verlebten wir die nächsten zwei monate, doch das ist eine andere geschichte.

wien, frühjahr 2005

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