Schlafwagenreisen im Osten der 80er-Jahre

eigentlich ist das reisen mit dem zug die bequemste art, wenn mans nicht allzu eilig hat. größere strecken kann man ideal im schlafwagen zurücklegen. man steigt am abend in den zug, schlaft die nacht im bequemen bett, in der früh steigt man entspannt und ausgeruht irgendwo sieben- oder achthundert kilometer weiter direkt im zentrumder zielstadt aus. so bin ich beispielsweise früher oft zur messe nach hannover gefahren: die nacht durch hin gefahren, den tag auf der messe verbracht, die nacht durch zurück nach hause gefahren. die optimale lösung.

die schlafwagen in westeuropa waren komfortabel, sauber und leise. beim schaffner konnte man vorm schlafengehen einen schlummertrunk erstehen, morgens gabs ein akzeptables frühstück. am abend hast dem schaffner deinen pass gegeben und eine zollerklärung, die grenzformalitäten haben sich dann im schlaf erledigt.

neben der optimalen zeitausnutzung, war vor allem auch der günstige preis und die kurzfristige verfügbarkeit interessant. deswegen war für mich in meiner zeit als freier osthandelsagent der schlafwagen die einzig mögliche art zu reisen.

nur in osteuropa war da schon einiges anders. zum beispiel eine reise von wien nach warschau. der zug ist irgendwann um acht uhr abends in wien abgefahren und ungefähr um sieben uhr früh in warschau angekommen. gut.

zuerst schaut man sich das abteil an. schäbig. stinkt nach irgendwelchen desinfektionsmitteln. aber sonst ok, na wird schon gehen.

dann fährt der zug ab. inzwischen hab ich für zwanzig schilling vom schaffner ein leeres abteil für mich allein erhalten. bier, oder so was hat er leider nicht, das muß ich mir beim nächsten mal selbst mitbringen. inzwischen hat das ganze abteil zum quietschen und scheppern angefangen. nun bin ich beim schlafen ziemlich lärmempfindlich, schon eine tickende uhr kann mich am einschlafen hindern. also versuche ich die geräusche zu minimieren in dem ich an allen möglichen stellen zusammengefaltetes papier reinstopfe.

die erste grenze bei hohenau ist nach ungefähr einer stunde erreicht. die erste kontrolle von den österreichern, dann die tschechen. erst die grenzpolizei, prüft pass und visum, dann der zoll: „haben sie was zu verzollen…“ aufenthalt mindestens eine stunde.

dann versuche ich einzuschlafen. das ist schwer, weil die ungewohnten bewegungen stören doch, ganz zu schweigen von den geräuschen, denn meine entschepperungsaktion war nicht hundertprozentig erfolgreich. kaum bin ich gegen ein, oder zwei uhr so halbwegs eingeschlafen, werde ich so um drei uhr früh schon wieder geweckt. die nächste grenze. der tschechische grenzpolizist will meinen pass sehen, anschließend will der tschechische zöllner wissen, ob ich nicht was unerlaubtes aus der tschechoslowakei ausführen will, weil ich ja so viel möglichkeiten zum einkaufen ghabt hab, auf nächstlichen provinzbahnhöfen. bald darauf der polnische grenzpolizist, der in seinem dicken buch nachschaut, ob ich nicht vielleicht in polen gesucht werde. dann der polnische zöllner, der sich stark für mein elegantes Notizbuch interessiert und damit für eine halbe stunde verschwindet. nach einer stunde ist auch das dann überstanden und der zug fährt endlich weiter. wieder versuche ich einzuschlafen, aber es wird nur mehr so ein dämmern, bis dann endlich warschau erreicht ist.

na ja bequem und angenehm war das nicht wirklich, aber billig. im laufe der zeit hab ich dann so einige tricks gelernt, die diese reisen dann doch noch erträglich gemacht haben.

baden, juli 2007