1985 Osthandel – dritter Anlauf

ich war gerade (1985) in einer höchst unerfreulichen situation, meine gläubiger quälten mich ununterbrochen, unbefriedigende angestelltenjobs wechselten mit unbefriedigenden selbstständigen tätigkeiten und privat hatte ich gerade die dritte scheidung hinter mir. nur mit dem lokalen gerichtsvollzieher hatte ich ein fast freundschaftliches verhältnis. also wie gesagt, ich fuhr nach budapest, weil ich plötzlich zwei zahnstummeln im mund hatte, die dringend nach einer brücke (oder krone, oder was weiß ich) verlangten. das konnte ich mir in wien nicht leisten, also vermittelte mir meine exfreundin einen zahnarzt in budapest, der mir das um ein spottgeld machte.

1985 bin ich freier Osthandelsagent

und da hatte ich eine geniale idee. ich hatte durch meine früheren reisen in die comecon-länder, ganz gute ortskenntnesse und ich wußte so in etwa wie die geschäfte dort ablaufen und wie man sie starten mußte. auch einige private kontakte hatte ich, zumindest in budapest, prag und warschau, die mir später sehr hilfreich waren.

in den comecon-ländern gab es keine möglichkeit waren direkt an den endverbraucher zu verkaufen. alle waren wurden von staatlichen handelsfirmen gekauft und alle kontakte mußten sich zumindestens am anfang auf diese einkaufsorganisationen beschränken.

das hatte für verkaufswillige westliche firmen einige nachteile und nur wenige vorteile. der hauptnachteil war, daß man sehr lange brauchte um von diesen organisationen überhaupt zur kenntnis genommen zu werden, eine konkrete anfrage zu erhalten war schon ein erster erfolg, bis zum ersten auftrag konnten jahre vergehen.

üblicherweise war es auch erst nach dem ersten auftrag möglich mit dem endverbraucher (z.B. eine maschinenfabrik in szeged, oder eine gummifabrik in poznan) kontakt aufzunehmen. das heißt, eine westliche firma mußte damit rechnen, daß er für einige jahre einen verkäufer finanzieren mußte, ohne mit großen erfolgen rechnen zu können und das kostet jede menge geld. gehalt und spesen summierten sich da schnell auf etliche tausend euro monatlich.

ja weil so ein osthandelsreisender, hatte ja gewisse qualifikationen zu haben und verlangte (und bekam) ein ordentliches salär. ein firmenauto kam meistens günstiger als kilometergeld und mit einem kleinwagen konnt man auch nicht auf die reise gehen.

daß man in den verschiedenen hauptstädten nur in erstklssigen hotels absteigen konnte, war auch klar, weil es gab praktisch in jeder hauptstadt nur eine hand voll hotels, die man einem reisenden zumuten konnte. außerdem wie schaut das aus, wenn der vertreter einer so tollen firma mit einem 12 jahre alten volkswagenkäfer auftaucht und in einem billigen einheimischenhotel wohnte (die es im übrigen kaum gab).

also der langen rede kurzer sinn, da kamen ganz schnell 7 oder 8-tausend euro im monat zusammen und das ein paar jahre lang, ohne daß was zurückkommt. darum gingen viele, vor allem kleine und mittlere firmen, nicht in den osten, weil sie dieses risiko scheuten.

die zweite schiene wie man im osten geschäfte starten konnte, war die beteiligung an messen. ja auf dauer ging ohne die präsenz auf den einschlägigen ausstellungen sowieso nix. aber auch hier das problem der kosten. ein eigener stand kam sehr teuer, bei den westlichen ausstellern langten die messeveranstalter ganz schön zu, das war meistens einiges teurer als eine messe irgendwo im westen. dazu kamen dann noch erhebliche reise und transportkosten. also scheuten viele firmen auch davor zurück.

immerhin gabs da die möglichkeit über gemeinschaftsstände (länder, kammern, etc.) mitzumachen und so zu einigen kontakten, in diesem fall auch mit endverbrauchern, zu kommen. aber aus einer messeanfrage entwickelt sich selten unmittelbar ein auftrag, da muß man nacharbeiten und dazu braucht man leute … s.o.

einen großen vorteil hatte dieses zentralisierte einkaufssystem für den verkäufer immerhin, man hatte üblicherweise in jedem land nur eine einkaufsorganisation zu bearbeiten. manchmal vielleicht noch eine zweite, oder dritte aber ganz selten mehr.

da kommt so ein hochbezahlter verkäufer dann z.b. nach bukarest und hat zwei firmen zu besuchen. man weiß ja nie wie lang so ein besuch dauert. manchmal redet man 10 minuten drüber, obs in wien auch so viel geschneit hat und das wars dann. manchmal wartet man eine stunde bis der zuständige mann/frau kommt, sich tausendmal entschuldigt und einen dann einladet am nächsten tag wiederzukommen, da käme nämlich einer von einem großen petrochemischen werk und der hätte eine frage. man mußte also immer zeitreserven haben. ein besuch in einer hauptstadt mußte man mit drei tagen ansetzen, manchmal war man dann grad eine stunde beschäftigt, der rest der zeit war leerlauf.

also dachte ich mir, müßten doch ziemlich viele firmen an so einem art handelsvertreter interessiert sein, der nur auf provision arbeitet und der regelmäßig die handelszentralen in den hauptstädten abklappert, messebeteiligungen organisiert, usw.

ich mit meinen mannigfachen erfahrungen und kenntnissen, wäre genau der richtige. und ob du´s glaubst, oder nicht, ein paar monate später bin ich schon gereist.

natürlich konnte ich die im vergleich für einem lokalen handelsvertreter immensen reisekosten nicht selbst finanzieren. deshalb habe ich meine reisekosten auf die firmen, die ich vertreten sollte aufgeteilt. jeder meiner partner zahlte mir dann monatlich ein paar tausend schilling an provisionsvorschuß den ich für meine reisekosten und zum leben überhaupt verwendete.

von da an, ende 1985, war ich als so ziemlich einziger freier osthandelsagent im comecon-raum unterwegs, aber das ist eine andere geschichte.

wien, frühjahr 2005

>> weiter >>