Osthandel und Saufen

na klar, theoretisch konnte man auch ohne alkohol durchkommen. man konnte die kunden saufen lassen und sich auf kaffee und cola beschränken, niemand wurde zum alkoholkonsum gezwungen. nur ich mit meinem schwachen charakter war da ziemlich chancenlos und bald war ich beim kampftrinken in der oberliga. na stell dir vor, du bist in sofia (wir haben das jahr 1979) und du hast drei aussenhandelsfirmen zu besuchen. vor neun uhr konnte man keine firmen besuchen, nach zwei uhr nachmittag auch keine mehr. also mit einen tag reserve für unerwartete zusätzliche besuche ergibt das drei tage.

möglicherweise anflug am abend, nächster tag zwei kunden, zweiter tag noch ein kunde am vormittag, eventuell noch einer am nachmitteg. dritter tag abflug. also drei nachmittage und abende totzuschlagen.

so um drei oder spätestens um vier uhr ist das tageswerk vollbracht. dann gehst a bissl spazieren, kino oder so ist wegen mangelnder sprachkenntnisse eher schwierig, auch die sonstige kommunikation mit einheimischen.

na dann gehst halt irgendwann so gegen fünf uhr in die nächste hotelbar, meistens in dein eigenes hotel, und trinkst ein bier, oder ein sonstiges leichtes getränk, das war dann meistens ein gin-tonic. dann wirds lähmend langsam sieben oder acht uhr, zeit zum abendessen.

in den osteuropäischen hauptstädten gabs damals gerade eine handvoll von restaurants, wo du als westler hast hingehen können, schon gar wennst dich nicht auskennst. budapest war da natürlich die ausnahme, dort konnte man immer schon in relativ vielen restaurants gut essen. prag war auch nicht ganz so schlecht, aber der rest zum vergessen.

gut gehn wir halt dann abendessen. über die qualität reden wir besser nicht, die war üblicherweise eine katastrophe, aber das trinken war ok. also ein kleines flascherl wein zum essen, weil das bier war meistens (wenn nicht importbier) kaum zum trinken.

mit mühe haben wir mit dem abendessen ein bis zwei stunden verbracht – so schlecht das essen auch war, lang gedauert hats immer. ist es also neun, oder halb zehn. um die zeit schlafen gehen, na ned wirklich. ein gutes buch? na ja schon manchmal, aber nicht immer. die zimmer waren wohl ganz in ordnung, halt ungemütlich wie die standard hotelzimmer überall sind.

um zehn uhr sperrt der nachtklub auf, was machst bis dahin? eh klar spazieren gehn, gutes buch lesen, – siehe nachmittagsprogramm.

dann so nach zehn irgendwann schleppst dich in den >>nachtklub<< und dann trinkst halt noch a bissl. so kurz nach mitternacht hast dann die richtige bettschwere und begibst dich zur ruhe. manchmal allein, >>manchmal nicht<<.

so richtig betrunken ist man eigentlich selten, aber so richtig nüchtern auch nie.

ganz anders bei den messen, das sind die höhepunkte des jahres für jeden kampftrinker.

nehmen wir zum beispiel einen typischen tag auf einer >>messe<< in moskau.

am morgen, mit einem ordentlichen kater vom vortag, bist du voller guter vorsätze:“keinen alkohol heute!“ und alle kollegen sind deiner meinung. also kaffee, cola, tonic (noch ohne gin). das geht so bis mittag. dann meint einer, na ein bier könnt ma schon trinken, ist ja kein alkohol. alle einer meinung, stimmen zu. wenn wenigstens einer stark geblieben wäre, aber so… soll ich als einziger?

dann kommen die ersten kunden. kannst ja die kunden nicht allein trinken lassen und bier ist irgendwie unelegant, also gin tonic, sekt orange, oder so andere leichte sachen.

am späteren nachmittag kommen dann, wie jeden tag, die kunden, welche schon am ersten tag einen großauftrag abgeschlossen haben: „äh.., wir hätten da noch eine frage…“ – „aber gerne. nehmen sie bitte platz. was darf ich ihnen zu trinken anbieten?“ – „whisky?“, „cognac?“ – „aber gerne“

und dann sollst daneben sitzen und tonic (mit gin) trinken wenn die sich an 12-jährigen edelbränden delektieren? hättst du a ned ausghaltn, oder?

wien, frühjahr 2005